Bürgermeister Emil Behringer 1862-1927
Emil Behringer wurde am 25. August 1862 in Oberrollsbach geboren. Hier wuchs er zusammen mit zwei Brüdern und vier Schwestern im elterlichen Bauernhaus auf und besuchte die Volksschule in Aitern.
Als sich die Gelegenheit gab, kaufte er die Hälfte des Hauses Kiefer mit den dazugehörenden Grundstücken auf der Oberen Gupfe in Aitern. Er erwarb durch Einkauf das Bürgerrecht und den Bürgergenuss in Aitern und trat als begeisteter Sänger in den Gesangverein ein.
Aus seiner 1890 geschlossenen Ehe mit Petronella Klingele aus Oberried gingen die Söhne Adolf und Eduard hervor.
Im Jahre 1905 wurde der Landwirt Emil Behringer zum Bürgermeister von Aitern gewählt. Zur Gesamtgemeinde (sie hatte zu dieser Zeit etwa 360 Einwohner) gehörten auch die Stabhaltereien Holzinshaus sowie Ober- und Unterrollsbach. Diese hatten eine eigene Gemeindekasse mit eigenem Rechner, eigener Verwaltung und Stabhalter. Sie wählten je einen Gemeinderat in das sechsköpfige Gemeinderatsgremium. In der Gesamtgemeinde bestand eine gesonderte Veranlagung und Kasse für das Schulwesen, die Gemeindepolizei und die Verwaltung. Ganz Multen war Besitz des Badischen Staates und seit 1894 Teil der Ortsgemeinde Aitern.
In dieser Zeit wurden alle anfallenden Probleme, die Vogt und Gemeinderat nicht alleine lösen konnten, an auf diesem Sachgebiet befähigte Bürger delegiert. Wie z.B. Ratschreiber, Gemeinderechner, Ortspolizist, der auch den Feldhüterdienst zu verrichten hatte, Waldhüter, Leichenschauer und weitere.
Der allgemeine wirtschaftliche Aufschwung brachte der arbeitenden Bevölkerung bessere und gesicherte Einkommen. Die Dorfbewohner arbeiteten als Holzhauer in der Staatsdomäne, in der Buntweberei Schönenbuchen, den Bürstenfabriken Kaiser in Utzenfeld und Schlotterbeck in Aitern, in Schönau oder als Heimarbeiter bei der Bürstenherstellung. Außerdem brachte die Landwirtschaft ein bescheidenes Einkommen. Die 1904 eröffnete neue Belchenstrasse brachte auch eine bessere Verbindung nach Holzinshaus und Multen.
Die anteilige Kostenbeteiligung beim Bau der neuen Belchenstrasse, der finanzielle Beitrag beim Bau der neuen katholischen Stadtkirche in Schönau ( 1907 eingeweiht) sowie der Schulhausbau brachten die arme Gemeinde an die Grenze ihrer finanziellen Möglichkeiten.
Trotzdem konnte der dringend notwendige, immer wieder aufgeschobene Bau eines neuen Schulhauses in Angriff genommen werden. Das alte Rathäuschen wurde abgerissen und an seine Stelle das neue Schul-und Rathaus gebaut. Es wurde im Herbst 1910 eingeweiht. Die Schule verzeichnete (1915) 90 Schüler.
Eine zentrale Wasserversorgung fehlte. Die einzelnen Brunnenstuben waren lediglich mit Holz eingewandet und mit Holzbrettern abgedeckt.
In die Amtszeit von Emil Behringer fallen der I. Weltkrieg und die bitteren Nachkriegsjahre. 81 Soldaten aus Aitern mussten daran teilnehmen, 11 kehrten nicht mehr zurück, darunter auch sein Sohn Adolf. Schon 1915 wurden erste Lebensmittelmarken ausgegeben, danach folgte der Zwang für die Bauern zur Abgabe von Vieh und Lebensmitteln. 1916 war die Gemeinde zur Zeichnung einer Kriegsanleihe gezwungen.
1918 wurde das Großherzogtum Baden aufgelöst. Baden wird Republik und 1919 Teil der Weimarer Republik. Die Inflation kehrt auch in die Häuser der Gemeinde Aitern ein, bis im November 1923 die Einführung der Rentenmark vörübergehend wieder etwas Besserung brachte.
In der Gemeinde kann nur der Mangel verwaltet werden. 1921 brennt aus unbekannter Ursache das Anwesen Peter Walliser nieder (die Bauernhäuser waren noch mit Stroh und Schindeln gedeckt). 1922 wird der Gesangverein neu gegründet, wobei sich Emil Behringer besondere Verdienste erworben hat. 1926 wird das 30-jährige Bestehen des Vereins groß gefeiert und erst 1926 wird das Dorf an die Elektrizitätsversorgung Utzenfeld angeschlossen.
Der Landwirt Emil Behringer war 22 Jahre in schwerer Zeit Bürgermeister von Aitern. Er starb unerwartet am 24. November 1927 mit 65 Jahren.